Antisemitismus in der „SZ“: Die Einzelfallvermutung gilt nicht mehr

Antisemitismus in der „SZ“: Die Einzelfallvermutung gilt nicht mehr


Wie oft kann die Süddeutsche antisemitischen und israelfeindlichen Müll veröffentlichen, bevor man annehmen muss, dass System dahintersteckt?

Antisemitismus in der „SZ“: Die Einzelfallvermutung gilt nicht mehr

Philipp Peyman Engel, Jüdische Allgemeine

Liebe Kollegen, man muss es so deutlich sagen: Eure Redaktion hat ein Problem. Und zwar ein riesiges. Dieses Problem heißt Antisemitismus.

Viel Kritisches wurde in den vergangenen Tagen über euren Text „Igor Levit ist müde“, veröffentlicht am 16. Oktober, angemerkt. Zu Recht. Die Fassungslosigkeit in weiten Teilen des Feuilletons war groß, dass euer Autor Helmut Mauró einen jüdischen Musiker verhöhnen darf, weil dieser bekannt hat, angesichts der judenfeindlichen Angriffe in Deutschland schwinde seine Lebenslust.

Die Fassungslosigkeit war groß, dass Levit – der selbst immer wieder Zielscheibe antisemitischer Drohungen ist – in eurer Zeitung mit dem ungeheuerlichen Begriff „Opferanspruchsideologie“ versehen werden darf. Die Fassungslosigkeit war groß, dass Levit in eurer Zeitung, die doch mit dem Slogan „Seien Sie anspruchsvoll“ wirbt, unterstellt werden darf, er würde für sich ein „opfermoralisch begründbares Recht auf Hass und Verleumdung“ in Anspruch nehmen.

Mindestens ebenso skandalös, nach Empfinden von Igor Levit noch skandalöser als Maurós Text selbst, war die Erwiderung eures Chefredakteurs. Zuerst stellte er sich voll und ganz hinter den Text seines Autors. Einen Fehler könne er nicht erkennen. Mittlerweile hat sich eure Zeitung – mutmaßlich getrieben von der öffentlichen Kritik und wenig überzeugend – für den Text entschuldigt. (…)

Der antisemitisch konnotierte Artikel über Igor Levit ist keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil. (…) Wie kann es sein, dass eure Redaktion eine Karikatur des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu veröffentlicht, die klar antisemitische Züge aufweist, was selbst ihr nach nicht abreißender Kritik einräumen musstet? Wie kann es sein, dass eure Zeitung eine Bildkomposition des Facebook-Chefs Mark Zuckerberg – als Krake mit Hakennase, Pejes und Tentakeln – druckt, die Leser an das NS-Hetzblatt „Der Stürmer“ erinnerte? Wie kann es sein, dass eure Zeitung einen Artikel zum Chaos am Mainzer Hauptbahnhof mit dem NS-Vernichtungslager Auschwitz bebildert? Die Zeile lautete: „Um die richtigen Weichen zu stellen, braucht die Bahn Personal“. (…)

Im Journalismus heißt es, wenn es zweimal vorkommt, ist es kein Einzelfall mehr, sondern systemisch. Das ist Quatsch. Aber was würdet ihr als kritische Journalisten einem Politiker entgegen, der euch sagt, es ist »nur« ein Dutzend mal vorgekommen? Ab wie vielen antisemitischen Artikeln in einer Zeitung muss man von einem System sprechen?

(Aus dem Kommentar „Alles Einzelfälle?“, der bei der Jüdischen Allgemeinen erschienen ist.)

 


Autor: Mena Watch
Bild Quelle: Pixabay


Dienstag, 27 Oktober 2020

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