UNRWA: Ein notwendiges Übel oder Gefahr für Israel?

UNRWA: Ein notwendiges Übel oder Gefahr für Israel?


Die Diskussion über die Zukunft von UNRWA sorgt in Israel für Spannungen. Ist die Schließung wirklich im besten Interesse des Landes?

UNRWA: Ein notwendiges Übel oder Gefahr für Israel?

Die Debatte um das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) steht erneut im Zentrum israelischer Politik. Seit der Gründung 1949, unmittelbar nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg, hat UNRWA eine umstrittene Rolle in der Region gespielt. Ursprünglich als temporäre Einrichtung gedacht, um die humanitäre Notlage palästinensischer Flüchtlinge zu lindern, hat sich die Organisation im Laufe der Jahrzehnte zur größten sozialen und wirtschaftlichen Stütze in den palästinensischen Gebieten entwickelt. Doch viele in Israel sehen UNRWA heute als Hindernis für den Frieden – nicht nur wegen ihrer Rolle in der Flüchtlingsfrage, sondern auch wegen der Verbindungen einiger ihrer Mitarbeiter zu Terrororganisationen wie Hamas.

Die Frage, ob UNRWA abgeschafft werden sollte, ist heikel. Einerseits argumentieren Befürworter einer Schließung, dass die Organisation durch ihre bloße Existenz den Flüchtlingsstatus der Palästinenser festschreibt und somit den Konflikt aufrechterhält. Andererseits warnt die Opposition davor, dass ein abruptes Ende von UNRWA zu einer humanitären Katastrophe führen könnte, die nicht nur den Palästinensern, sondern auch Israel schaden würde.

Nach den brutalen Terroranschlägen vom 7. Oktober, bei denen einige UNRWA-Mitarbeiter angeblich eine Rolle spielten, ist der internationale Druck auf die Organisation gestiegen. Viele Länder setzten vorübergehend ihre Finanzierung aus, kehrten aber schnell zu ihrer Unterstützung zurück, da es derzeit keine Alternative gibt, die die umfangreichen sozialen Dienstleistungen von UNRWA ersetzen könnte. Gerade im umkämpften Gazastreifen, wo die humanitäre Lage bereits prekär ist, wäre ein Wegfall der Organisation verheerend.

Doch der politische Druck in Israel wächst. Insbesondere rechte Kräfte in der Knesset sehen in UNRWA ein Hindernis für ihre Siedlungspolitik und eine Stabilisierung des palästinensischen Lebens in den besetzten Gebieten. Stattdessen setzt die Regierung auf Maßnahmen, die die palästinensische Wirtschaft weiter schwächen, wie die gezielte Verzögerung von Steuerüberweisungen an die palästinensische Autonomiebehörde (PA) oder die massenhafte Entziehung von Arbeitserlaubnissen. Diese Schritte verschärfen die Armut und Hoffnungslosigkeit in der palästinensischen Gesellschaft – eine Entwicklung, die nicht nur die Sicherheit Israels, sondern auch seine internationale Reputation gefährdet.

Was jedoch kaum jemand in dieser Debatte anspricht, ist die Frage, was tatsächlich nach einer Schließung von UNRWA passieren würde. Wer würde die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialdienste übernehmen, die Millionen von Palästinensern in Gaza, dem Westjordanland und Ost-Jerusalem betreffen? Die Antwort der Befürworter einer Schließung scheint zu sein: Niemand. Diese Vorstellung, die tief in der rechtsgerichteten Politik verwurzelt ist, zielt darauf ab, die Lebensgrundlagen der Palästinenser weiter zu zerstören, in der Hoffnung, sie letztlich zur Aufgabe ihrer Ansprüche zu zwingen.

Dieses Vorgehen erinnert an frühere Fehler der israelischen Regierung, die die Hamas indirekt gestärkt hat, indem sie die PA geschwächt hat. Das Ergebnis: eine radikalisierte palästinensische Gesellschaft, die anfällig für den Einfluss extremistischer Gruppen ist. Wenn UNRWA tatsächlich geschlossen wird, ohne dass eine Alternative bereitsteht, könnte Israel erneut dieselben Fehler begehen – diesmal jedoch mit noch verheerenderen Konsequenzen.

Langfristig sollte das Ziel darin bestehen, die palästinensische Gesellschaft zu stabilisieren und eine politische Lösung zu finden, die auch die Flüchtlingsfrage klärt. Wenn eines Tages ein palästinensischer Staat existiert, der Verantwortung für seine eigenen Bürger übernimmt, könnte UNRWA obsolet werden. Bis dahin jedoch sollte Israel mit Bedacht vorgehen. Eine Schwächung der palästinensischen Gesellschaft durch die Schließung von UNRWA könnte nicht nur einen neuen humanitären Kollaps auslösen, sondern auch Israels eigene Interessen gefährden – sowohl in sicherheitspolitischer als auch moralischer Hinsicht.

Es bleibt abzuwarten, ob die israelische Regierung die Lehren aus der Vergangenheit ziehen wird. Der Ruf nach einer Schließung von UNRWA mag kurzfristig populär sein, doch die langfristigen Folgen könnten Israel teuer zu stehen kommen. Daher sollte eine differenzierte Debatte geführt werden, die über parteipolitische Interessen hinausgeht und das Wohl aller Menschen in der Region im Blick hat.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By U.S. Department of State - https://www.flickr.com/photos/9364837@N06/53308739161/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=140096404


Mittwoch, 16 Oktober 2024

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