Die Schlacht um den Begriff "Demokratie": Israel zwischen zwei Konzepten von Volksherrschaft
In Israel tobt ein Kampf um das Verständnis von Demokratie, der kürzlich im Obersten Gerichtshof des Landes eskalierte. Zwei verschiedene Demokratiekonzepte stehen sich gegenüber: eine, die die Mehrheit und ihre Entscheidungen in den Vordergrund stellt, und eine andere, die die Macht der Regierung durch eine Verfassung begrenzt.
Inmitten der politischen und sozialen Unruhen, die Israel in den letzten Monaten erlebt hat, hat der Begriff "Demokratie" eine besondere Bedeutung erlangt. Er wurde zum Schlagwort, das die Nation spaltet, während sie sich mit einem neuen Gesetz zur "Vernünftigkeit" auseinandersetzt. Dieses Gesetz soll die Macht des Obersten Gerichtshofs beschränken und hat eine tiefe Diskussion über die Natur der israelischen Demokratie ausgelöst.
Die Mehrdeutigkeit der politischen Sprache
Politische Sprache neigt dazu, emotional aufgeladen und oft mehrdeutig zu sein. Das Wort "Demokratie" ist ein perfektes Beispiel dafür. Es dient oft als emotionaler Anker, um Unterstützung für komplexe politische Positionen zu gewinnen, ist jedoch in seiner Anwendung weit von einem festgelegten Begriff entfernt.
Frankreich und die USA: Ein historischer Überblick über zwei Demokratie-Modelle
Seit der Aufklärung gibt es zwei vorherrschende Demokratie-Modelle. Das erste, entstanden in Frankreich, setzt auf die Souveränität des Volkes als das höchste politische Gut. Hier hat das Volk als kollektiver Souverän die Macht, Gesetze und Regierungsformen zu bestimmen.
Das zweite Modell hat seinen Ursprung in der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung und betont eine begrenzte Regierung, die die Rechte des Einzelnen schützt. Dieses Modell baut auf einer Verfassung und dem Prinzip der Gewaltenteilung auf, um die Freiheit des Individuums sicherzustellen.
Israel an der Kreuzung
Die Debatte in Israel konzentriert sich derzeit auf diese beiden Auffassungen. Politiker wie MK Simcha Rothman von der Religiösen Zionistischen Partei vertreten eine Demokratie à la Frankreich. Sie argumentieren, die Mehrheit der Bevölkerung habe ein Recht darauf, die Gesetze des Landes nach ihrem eigenen Ermessen zu gestalten.
Dagegen stehen die Befürworter eines amerikanischen Modells, die auf die Rechte des Einzelnen und die Notwendigkeit einer gerichtlichen Überprüfung pochen. Sie sehen in einer unbegrenzten Mehrheitsregel eine Gefahr für die Minderheiten und die Freiheiten des Einzelnen.
Der Konflikt und die Rolle des Obersten Gerichtshofs
Das neue Gesetz zur "Vernünftigkeit" stellt für beide Seiten einen entscheidenden Punkt dar. Während die eine Seite die Einschränkung der Macht des Obersten Gerichtshofs als eine Rückkehr zur "wahren Demokratie" feiert, sehen andere darin eine Bedrohung für die demokratischen Institutionen und die Gewaltenteilung.
Schlussfolgerung: Ein Präzedenzfall für die Welt?
Das Ergebnis dieser Debatte wird nicht nur für Israel, sondern auch für andere Demokratien von Bedeutung sein, die mit ähnlichen Fragen ringen. Welches Demokratie-Modell wird sich durchsetzen? Und was bedeutet dies für die demokratische Praxis weltweit? In einer Zeit, in der der Begriff der Demokratie immer stärker in Frage gestellt wird, könnte die israelische Erfahrung als ein bedeutendes Fallbeispiel dienen.
Autor: David Goldberg
Bild Quelle: Screenshot
Donnerstag, 14 September 2023