Medienfreiheit unter Beschuss: Unabhängiger Radiosender in Istanbul verliert Sendelizenz

Medienfreiheit unter Beschuss: Unabhängiger Radiosender in Istanbul verliert Sendelizenz


In einem erneuten Schlag gegen die Meinungsfreiheit in der Türkei wurde dem unabhängigen Radiosender Acik Radyo die terrestrische Sendelizenz entzogen, nachdem er zuvor wegen Aussagen zum armenischen Genozid suspendiert worden war.

Medienfreiheit unter Beschuss: Unabhängiger Radiosender in Istanbul verliert Sendelizenz

Die Medienfreiheit in der Türkei hat einen weiteren schweren Rückschlag erlitten. Der unabhängige Radiosender Acik Radyo („Offenes Radio“) mit Sitz in Istanbul ist nach der Entscheidung der türkischen Rundfunkaufsichtsbehörde RTUK gezwungen, seine terrestrische Sendelizenz aufzugeben. Nur einen Monat vor dem 30-jährigen Jubiläum des Senders verkündete Acik Radyo in einer schriftlichen Erklärung die endgültige Abschaltung und verurteilte diesen Schritt als weiteren Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei.

Hintergrund der Lizenzentziehung

Die Probleme für den Sender begannen im April, als ein Gast während einer Sendung am 24. April – dem internationalen Gedenktag für den Völkermord an den Armeniern – die Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern im Jahr 1915 als „Genozid“ bezeichnete. Die Türkei erkennt an, dass viele Armenier während des Ersten Weltkriegs in Auseinandersetzungen mit osmanischen Streitkräften starben, bestreitet jedoch die systematische Ausführung und die Einstufung dieser Tötungen als Genozid.

Die RTUK kritisierte den Sender damals dafür, dass er keine Korrektur der Äußerungen vorgenommen habe, die nach Ansicht der Behörde „zu Hass und Feindseligkeit anstacheln“. Infolgedessen wurde Acik Radyo im Mai für eine gewisse Zeit suspendiert und mit einer Geldstrafe belegt. Trotz der Bemühungen des Senders, rechtlich gegen die Suspendierung vorzugehen, wurde die Sendelizenz am 11. Oktober endgültig entzogen, nachdem ein Gericht im September eine vorläufige Aussetzung der Entscheidung aufgehoben hatte.

Angriff auf die Meinungsfreiheit

Ömer Madra, Mitbegründer und Chefredakteur von Acik Radyo, bezeichnete die Entscheidung als klaren Versuch, „die öffentliche Stimme zum Schweigen zu bringen“. In einem emotionalen Interview nach der Abschaltung des Senders betonte Madra, dass der Entzug der Lizenz, unabhängig von der Begründung, ein weiterer Beweis für die zunehmenden Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei sei.

„Die Lizenzentziehung ist ein trauriger Höhepunkt für uns. Wir haben immer versucht, eine Plattform für offene und vielfältige Diskussionen zu bieten, aber in der heutigen Türkei wird das immer schwerer“, erklärte Madra.

Pressefreiheit unter Druck

Die Abschaltung von Acik Radyo reiht sich in eine Serie von Maßnahmen gegen unabhängige Medien in der Türkei ein. Die RTUK ist in den letzten Jahren mehrfach dafür kritisiert worden, dass sie unabhängige und oppositionelle Medien systematisch ins Visier nimmt. Medienexperten und Menschenrechtsorganisationen warnen seit Langem vor der Verschlechterung der Lage der Pressefreiheit in dem Land, das regelmäßig auf internationalen Ranglisten zur Pressefreiheit schlecht abschneidet.

Der Fall von Acik Radyo ist dabei nicht nur ein Einzelfall, sondern steht symbolisch für den breiteren Kontext der Medienzensur in der Türkei. Seit dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 haben die türkischen Behörden Dutzende von Medienhäusern geschlossen, zahlreiche Journalisten inhaftiert und Druck auf Redaktionen ausgeübt, die sich kritisch gegenüber der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan äußern.

Das armenische Genozid-Dilemma

Die Diskussion um den armenischen Genozid bleibt ein heikles Thema in der Türkei. Jedes Jahr am 24. April finden weltweit Gedenkveranstaltungen statt, bei denen an die Opfer erinnert wird. Zahlreiche Länder, darunter Deutschland, Frankreich und die USA, haben die Massaker offiziell als Genozid anerkannt. Die Türkei bestreitet jedoch, dass die Tötungen den Tatbestand des Völkermords erfüllen, und verweist auf die damaligen Kriegsumstände sowie auf weit niedrigere Opferzahlen.

Das Thema ist auch innerhalb der türkischen Gesellschaft weiterhin stark umstritten, und es kommt immer wieder zu Spannungen, wenn die Bezeichnung „Genozid“ öffentlich verwendet wird. In diesem Fall wurde Acik Radyo zur Zielscheibe der Behörden, obwohl es lediglich einem Gast die Möglichkeit gab, seine Meinung zu äußern.

Zukunft der freien Medien in der Türkei

Die Abschaltung von Acik Radyo ist ein weiterer dunkler Moment für die Medienlandschaft in der Türkei. Viele befürchten, dass dies nicht der letzte unabhängige Sender oder die letzte Publikation sein wird, die zum Schweigen gebracht wird. Der Verlust eines der ältesten und angesehensten unabhängigen Radiosender des Landes wirft die Frage auf, ob es in der Türkei überhaupt noch Raum für freie Meinungsäußerung und kritischen Journalismus gibt.

Für Medienvertreter wie Ömer Madra bleibt die Hoffnung, dass eines Tages wieder ein Klima der Freiheit und des offenen Diskurses in der Türkei herrschen wird. Doch angesichts der aktuellen politischen Lage scheint dieser Tag in weiter Ferne zu liegen.


Autor: Redaktion
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Donnerstag, 17 Oktober 2024

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